Ursula Haarscheidt
Sündenbock – Hetze – hate speech,
eine interaktive Installation mit Projektionen
Bei der Beschäftigung mit dem Thema Antisemitismus und Judenhass weckte das Phänomen „Sündenbock“ und „Projektionen“ mein besonderes Interesse. Was bedeutet „Sündenbock“?
Ein durch Los bestimmter realer Ziegenbock wurde, symbolisch beladen mit den Sünden des
Volkes Israel, in die Wüste geschickt und diente der jährlichen Versöhnung zwischen Gott und Mensch. Diese Verlagerung der Schuld auf ein wehrloses, leicht identifizierbares Opfer ist bis heute weltweit gelebte Praktik im Großen wie im Kleinen. Gerade in den letzten Jahren haben öffentliche Beleidigungen und verbale Bedrohungen wieder deutlich zugenommen. Der anonyme, digitale Raum dient als Brandbeschleuniger für Hass und Hetze und beschränkt sich nicht nur auf das jüdische Volk. Wenn die toxischen Worte laut genug sind und möglichst viele diese Hassreden teilen, erscheint ihnen Gewalt und Destruktionen als „gerechtfertigt“ und die Hemmschwelle zur Gewalttat verschwindet.
Für meine Installation habe ich eine Auswahl historischer und aktueller Beleidigungen zu
unterschiedlichen Vorurteilen gewählt. Die Stigmatisierung einer Person oder einer Gruppe
beginnt mit abwertenden Worten, die zunehmend verletzender und gehässiger werden. Einer
beginnt die Hetze, andere stimmen zu und bestärken ihn. Gemeinsam werden sie immer
überzeugter und lauter bis schließlich die Worte auch Gewalttaten rechtfertigen können. Der
Betrachter spiegelt sich in der beschmutzten Silhouette einer Person, auf die die Beleidigungen projiziert werden. Er wird Teil der Hetze — die Figur ist der Sündenbock. Sie dient als Blitzableiter für die Angst/ Ohnmacht/ Wut zur Entlastung eines Einzelnen oder einer Gruppe. Insofern kommen die Worte zurück zum Urheber. Es wird Zeit, diesem Hass entgegen zu wirken und die Perspektive zu wechseln. Auf einer weiteren Figur kann man selber respektvolle, positive Worte mit Kreide aufschreiben.
Bild: Ausschnitt aus der Projektion von Ursula Haarscheidt
Dieser Beitrag ist für Kinder unter 12 Jahren nicht geeignet.